Neulich beim Jahrgangstreffen …

Im Oktober war ich zu einem Treffen meiner ehemaligen Klasse der Physiotherapeutenschule eingeladen. Zu feiern gab es das 10-Jährige. Das bedeutete, dass sich eine Menge Menschen, hauptsächlich Frauen, nach langer Zeit treffen würden. Zuletzt hatten sich die meisten beim 5-Jährigen getroffen. Unsere Ausbildungsklasse bestand damals aus 38 Personen, davon fünf Männer.

Beim 5-jährigen Treffen erlebte ich bereits, wie die meisten meiner ehemaligen Kollegen und Kolleginnen, mit denen ich früher durchaus gute Zeiten und wilde Partys erlebt hatte, mutiert waren: Zu (angeblich) superglücklichen Müttern und Vätern, die ihre absolute Erfüllung in der Gründung einer Familie, dem Kauf eines teuren Autos und dem Bau eines eigenen Hauses gefunden hatte. Es wurden fleißig Beweise des Glücks zutage befördert und so wurde ich, ob ich wollte oder nicht, anhand der mitgebrachten Fotoalben von dem vorhandenen Glück überzeugt. Kaum jemand sprach über seine berufliche Tätigkeit oder andere Themen, sodass ich den Abend für mich früh beendete und die Veranstaltung verließ. Ich war mir damals ziemlich sicher, dass beim nächsten Treffen einige der „Glücklichen“ bereits geschieden sein würden.

Da meine Freundin, mit der ich über all die Jahre engen Kontakt gehalten hatte, das 10-Jährige organisierte, hatte ich beschlossen, noch mal ein solches Treffen ohne Vorbehalte zu besuchen und zu schauen, was die anderen zu erzählen hatten. Als ich gegen 17:00 Uhr eintraf, saßen einige Frauen, Männer und Kinder an einem Tisch im Garten. Ich setze mich brav dazu und stellte fest, dass einige der Anwesenden schwanger, aber durchaus guter Stimmung waren (warum auch nicht?). Allerdings drehte sich das Gespräch zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich um Kinder. So beschloss ich, erstmal stiller Zuhörer zu sein. Doch es war unumgänglich, dass mich die Frage traf: „Und, was machst Du so?“. Ich erzählte kurz mein berufliches Tun. Doch das schien niemanden zu interessierten. Wie aus der Pistole geschossen folgten die Fragen: „Bist Du immer noch nicht verheiratet?“ und „Hast Du denn Kinder?“. Beide Fragen wurden von mir wahrheitsgemäß verneint. Daraufhin entgegnete mir eine ehemalige Kollegin, die inzwischen drei Kinder hat und, wie sie uns stolz erzählte, das Haus bereits abbezahlt: „Na ja, Du hast ja auch noch Zeit!“ Ich war sprachlos. Da war es wieder, dieses stille Vorraussetzen, dass jede Frau als Ziel Heirat und Kinder hat. Keiner fragte, alle setzten es voraus. Ich merkte, dass es unter diesen Frauen und Männern sinnlos war, ein Gespräch darüber anzufangen. Ich kenne das bereits, diese Rechtfertigungen, warum ich keine Kinder habe und im Übrigen auch keine plane. Das allerdings stößt bei glücklichen Müttern und Vätern kaum auf Verständnis. Ich kenne bereits zu genüge die Argumente, dass es so toll sei, Kinder zu haben, das habe man sich früher nie vorstellen können. Und wer das verpasst hat, der kann einem leid tun. Ich merkte, dass ich in einer anderen Welt lebe als die meisten der Anwesenden. Und in meiner Welt ist es durchaus akzeptiert, keinen Kinderwunsch zu haben. Darüber bin ich sehr froh, denn sonst würden mich nun, wie früher, Selbstzweifel plagen und ich mir immer wieder die Frage stellen, ob ich nicht doch Kinder möchte, um doch immer wieder zu derselben Antwort zu kommen: Nein, ich möchte einfach nicht.

Übrigens waren bei dem Treffen inzwischen zwei Frauen geschieden und zwei weitere in Trennung lebend. So glücklich waren sie also. Ich hingegen bin mit meinem Partner immer noch zusammen – und glücklich.

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