Neues zum Buch: der Knoten ist geplatzt

[Foto: Andreas Morlok/pixelio.de]

Als ich letztes Jahr überlegte, ein Buch zum Thema Fehlgeburten zu schreiben, entstand das aus meinem Eindruck, dass es ein Tabuthema sei und viele Frauen darunter leiden. Es schien ein Tabuthema zu sein, gleichzeitig mit viel Unwissen und traumatischen Erfahrungen verbunden zu sein. Ich hatte viel gehört und viel gelesen, was manche Frauen erleben mussten, verschlug mir den Atem. Und weil ich das Gefühl hatte, der Bedarf, darüber zu reden, sei deutlich vorhanden, überlegte ich mir, Frauen zu fragen. Nach dem, was sie erlebt hatten, wie sie behandelt wurden, was sie sich anhören mussten, was sie sich gewünscht hätten und wie sie mit dem Erlebten umgehen. Also machte ich im Juli/August 2014 eine Umfrage hier auf dem Blog, in der Hoffnung, überhaupt jemanden zu erreichen. Denn mir ist klar, dass Fehlgeburten auch deshalb ein Tabuthema sind, weil sie bewusst totgeschwiegen und verdrängt werden. Darüber spricht doch niemand gerne. Warum sollten Betroffene dann ausgerechnet bei einer Fremden an einer Umfrage teilnehmen? Aber ich wurde eines besseren belehrt: Mein Postfach explodierte fast vor lauter Benachrichtigungen über neue Teilnehmer. Am Ende waren es 460 Frauen und Männer (!), die teilgenommen hatten und bis jetzt schreiben mich immer noch Betroffene an. Die meisten Teilnehmerinnen gaben bei der Umfrage auch freiwillig ihre Mail-Adresse an, um auf dem Laufenden gehalten zu werden. Ich war völlig überwältigt von all dem Zuspruch, den ich bekam. Die Frauen fanden es fast alle gut und wichtig, mal endlich darüber zu reden. Ich kam mir vor, als hätte ich in ein Wespennest gestochen.

Ich war hochmotiviert und steckte den Rahmen für das Buch. Es soll ja kein Erfahrungsbericht oder ein klassischer Ratgeber bei Fehlgeburten werden. Nein, es soll informieren, was da täglich Frauen passiert. Wie mit ihnen umgegangen wird und was sie sich wünschen, wie mit ihnen umgegangen würde. Wie die medizinische Betreuung ist und was sinnvoll wäre. Was ihre Rechte sind, wenn niemand sie darüber informiert. Das Tabuthema in die Mitte rücken und Frauen selbstbestimmte Fehlgeburten zu ermöglichen und ihnen bzw. den Paaren Raum zu geben, zu trauern. Sich nicht verstecken zu müssen, sich nicht erklären zu müssen. Darüber sprechen zu dürfen.

Also schrieb ich los. In meinem Kopf gibt es einen ziemlich genauen Plan, den musste ich „nur“ zu Papier bringen – eigentlich ganz einfach, dachte ich. Dann las ich die ganzen Antworten zu meiner Umfrage. Ich las Geschichten, die mir die Tränen in die Augen trieben. Mir wurde klar, dass sehr, sehr viele Frauen wirklich schlimme Dinge erlebt hatten. Mit der Fehlgeburt selbst natürlich, aber unnötigerweise auch sehr viel durch die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wurde. Dass sie erst hinterher erfuhren, dass sie ihr Kind hätten beerdigen können. Das sie sich Sprüche wie „Jetzt heulen Sie hier mal nicht rum, wegen so einer kleinen Sache!“ oder „Die OP ist gut verlaufen, wir haben alles Schwangerschaftsmaterial entfernt.“ anhören mussten. Dass ihnen niemand sagte, dass sie das Recht auf eine Hebamme, zumindest zur Nachsorge gehabt hätten. Diese ganzen Geschichten haben aber auch bei mir so viel ausgelöst und angestoßen, dass ich irgendwann einfach nicht mehr konnte. Mir war vollkommen klar, dass so ein Buch mehr als überfällig ist, es wurde klar, dass es dringender ist, als ich dachte, aber gleichzeitig war ich wie gelähmt. Ich brauchte Zeit, um alles zu sortieren. Und manches auch neu zu überdenken. Meine eigenen Erlebnisse einzuorden.

Ich habe in den vergangenen Monaten auch mit vielen Frauen gesprochen. Mir ist aufgefallen, dass wenn ich mit einer Frau über ihre Fehlgeburt spreche, sie meistens offen spricht. Ich selber spreche auch offen darüber und habe noch nie schlechtes Feedback darauf bekommen (was mir allerdings auch egal wäre). Viele Frauen sagen mir, dass es gut getan hat, darüber zu sprechen und man fühle sich nicht so alleine mit seinem Erlebten. Es betrifft so unfassbar viele Frauen, dass es eigentlich völlig normal sein müsste, darüber zu reden. Aber das ist bei einem Tabuthema eben so eine Sache. Nachdem ich meine vielen Gedanken zum Thema sortiert habe, ist der Knoten geplatzt. Ich habe endlich wieder mit Vollgas loslegt. Denn ich möchte es unbedingt fertig bekommen. Ich habe das Gefühl, dass die Zeit reif ist.

Aktuell befülle ich die einzelnen Kapitel, die für mich schon relativ fest stehen. Es wird auf jeden Fall noch viel Arbeit werden, die Umfrage vernünftig auszuwerten. Denn ich habe weniger Multiple-Choice-Fragen gestellt und mehr mit Freitextfeldern gearbeitet, weil ich den Frauen Raum geben wollte, zu antworten und sie nicht in eine vorgefertigte Antwort zwingen wollte. Die Freitextfelder wurden ausgiebig genutzt, was ganz toll ist, aber nun eben auch relativ viel Arbeit. Aber das bekomme ich auch noch irgendwie hin. Der nächste Schritt wird sein, dass ich ein Exposé anfertige, um mir einen Verlag zu suchen. Drückt mir bitte die Daumen, dass es mein Wunschverlag (den ich natürlich nicht verrate) wird!

Für die, die das Thema interessiert

Ich kann nicht sagen, wie lange das alles noch dauern wird, aber ich verspreche, ich bleibe dran. Ich werde künftig hier von Zeit zu Zeit etwas über den aktuellen Stand schreiben, denn ich bin allen, die mir ihre Geschichten „erzählt“ haben, sehr, sehr dankbar. Eure Antworten erinnern mich immer wieder daran, warum es wichtig ist, durchzuhalten und das Buch fertig zu schreiben.

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